Blick geradeaus (1)

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Ihre Arbeit fand im Sommer statt, nur dann war Zeit zum Trainieren. Mit Laura Dahlmeier, Magdalena Neuner, Martina Beck, Miri Neureuther, ehemals Gössner hast Du Heldinnen geformt. Wie populär ist Biathlon heute?

Nach der Saison, dann wenn die eigentliche Arbeit beginnt, können wir immer wieder die Resonanzen aus TV-Übertragungen beobachten. Von den Einschaltquoten her ist und bleibt Biathlon die Wintersportart Nummer eins, auch wenn sich die genannten Damen mittlerweile aus dem Sport verabschiedet haben. Die Popularität liegt auch in der Natur der Sache: Beim Skifahren kommt es intensiv auf wenige Minuten an. Biathleten müssen auf langen Strecken hinweg kontinuierlich Leistung bringen und gewissermaßen mit der Leistungsgrenze ‚spielen‘.

Dein Trainingsmodell ist nicht ganz gewöhnlich. Eigentlich sollten Deutschlands erfolgreichste Biathleten des Zoll Ski Teams aus Garmisch-Partenkirchen zusammen mit ihren Mannschaftskameraden im Bundesleistungszentrum in Ruhpolding trainieren. Stattdessen gehen sie dort auf Lehrgänge und trainieren in den ‚Behördengruppen‘ primär in heimischen Gefilden. Was machst Du anders?

Als Stützpunkt des Zoll Ski Teams zählt die Trainingsanlage in Kaltenbrunn nicht zu den bezuschussten Standorten, was sich daher nicht förderlich auf die Situation der sportlichen Infrastruktur auswirkt. Aus Kapazitätsgründen trainieren Senioren und Junioren gemeinsam, was Deutschlandweit einmalig ist, aber viel Motivation und Lerneffekte für alle birgt. Zusätzlich bemühe ich mich, den Sport zu pushen und dabei Vorbild und Teamplayer zu sein. Meine Sportlerinnen und Sportler schätzen es, dass sie sich auf mich verlassen können und dass ich darüber hinaus sehr organisiert und strukturiert arbeite. So beginnt für mich die Arbeit beispielsweise stets 45 Minuten vor Trainingsbeginn, damit alles vorbereitet ist, wenn die Sportler kommen. Pünktlichkeit und Respekt erwarte ich allerdings auch von meinen Leuten. Ein gutes gegenseitiges Vertrauensverhältnis ist für mich das A und O und eine wichtige Basis für den Erfolg. Wenn es ein Problem gibt, dann sprechen wir darüber und klären es. Darüber hinaus schaue ich auch über den Tellerrand hinaus und beschäftige mich beispielsweise auch mit den mentalen Aspekten des Sports. Schießen beispielsweise ist eine reine Kopfsache. Die Leistungsfähigkeit lässt sich mental extrem beeinflussen, in negativer wie auch in positiver Hinsicht.

Wie steht es um den Nachwuchs?

Glücklicherweise konnten wir auch in der Coronaphase relativ gut trainieren. Gleichzeitig steht und fällt die Euphorie der Jugend natürlich auch mit den Vorbildern vor Ort, erst recht wenn diese als Gallionsfiguren und ganz konkrete Führungspersönlichkeiten greifbar sind und mittrainieren. Da sind wir aktuell etwa mit Hanna Kebinger als Vize-Weltmeisterin und Selina Grotian als Europameisterin in der Verfolgung gerade wieder auf einem guten Weg.

Frühzeitig an die eigene Vorsorge zu denken, ist auch für Profisportler elementar. Was bedeutet für Dich Vorsorge?

Nur im ‚Hier und Jetzt‘ zu leben war noch nie meine Mentalität. Als Trainer wie als Privatperson habe ich schon immer gründlich überlegt und geplant: Was kommt im nächsten Jahr, was kommt in fünf Jahren, was kommt in zehn Jahren?

Gerade in jungen Jahren wird finanzielle Vorsorge häufig vernachlässigt. Was ist der Grund dafür?

Die jungen Menschen sind es vermutlich nicht mehr gewohnt, sich um ihre Zukunft zu sorgen. Es ist Fluch und Segen zugleich: Wir haben das große Glück in einer Zeit zu leben, in der es uns gut geht und in der es uns im Großen und Ganzen an nichts fehlt. Allein Lebensmittel gibt es zu jeder Jahreszeit im Überfluss. Das war früher undenkbar, Dinge mussten geplant werden. So war der Planungsgedanke bei unseren Eltern und Großeltern ganz anders verwurzelt als bei den Menschen heute.

Was wäre aus heutiger Sicht zu raten?

Die Einstellung zur finanziellen Absicherung liegt natürlich schon in der Verantwortung eines jeden Einzelnen und in der Verantwortung der Eltern. Oder auch die Notwendigkeit, für eine Anschaffung schlichtweg Geld zu sparen. Häufig wird ohne zu Überlegen sofort gekauft, beispielsweise dann, wenn einem Kind beim Sport oder im Spiel etwas kaputt geht. Generell verliert das Denken nach vorn, beispielsweise über einen Zyklus von zehn Jahren oder länger, in unserer schnelllebigen Zeit an Attraktivität.

Wie motivierst Du Dich, nach vorn zu denken und Vorsorge zu treffen?

Dieses Denken ist mir daheim sicherlich vorgelebt worden und das hat mich früh geprägt. Schon meine Großeltern haben es an meinen Eltern und diese an meinen Bruder und mich weitergegeben. Das Gefühl war für uns früh attraktiv, mit dem Aufbau von Werten eines Tages unseren Kindern und deren Nachkommen die nötige Sicherheit für die eigene Zukunft mitgeben zu können. Darum bemühen wir uns daheim bis heute sehr.

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Nach den Medaillen ist vor den Medaillen: Sommertraining auf dem Militärgelände am Hohen Brendten bei Mittenwald mit Doppel-Olympiasiegerin Laura Dahlmeier. Mit fünf bis sechs Stunden täglicher Arbeit an sechs Tagen pro Woche ist der Sommer die Haupttrainingszeit.

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