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Wenn Hans Govers über Osteopathie spricht, gerät er ins Schwärmen. Begriffe wie Dysfunktionen, Läsion und kraniosakrale Behandlungsmethoden sind für den Laien zwar zunächst medizinisches Kauderwelsch. Anschaulicher wird es freilich, wenn der Patient die komplizierten Zusammenhänge am eigenen Körper erleben darf. Das gleichmäßige wohlige Gefühl in Armen, Beinen und Bauch macht deutlich, dass der menschliche Körper vergleichbar mit einem hochkomplizierten Motor als System funktioniert. Govers: „Alle Gewebe im Körper sind in Bewegung und im Idealfall harmonisch miteinander verbunden.“ Diese Balance zu bewahren und wiederherzustellen sei das große Ziel der Osteopathie.
Erste Behandlungsideen kamen nach und nach Mitte der 80er Jahre nach Europa. Etwa seither arbeitet der gebürtige Holländer in Garmisch-Partenkirchen und Grainau. Hans Govers zählt mit zu den ersten in Deutschland tätigen Osteopathen und damit quasi zu den Wegbereitern in Deutschland. Er bildet sich mehrmals im Jahr fort und beobachtet, dass die Osteopathie in den letzten Jahren enorm an Popularität gewonnen hat.
Primär soll die Osteopathie helfen, die Selbstheilungskräfte des eigenen Körpers zu mobilisieren. Die Behandlung wirke auf unterschiedlichen Ebenen, grob gesagt auf Gewebe und Körperflüssigkeiten. Im Idealfall erspürt der behandelnde Therapeut während seiner Arbeit Strömungen, Bewegungen und Spannungen im Körper und löst Blockierungen im Körper. Doch nicht nur körperliche Leiden oder Verletzungen gehörten zum Aufgabengebiet der Osteopathie Auch zur Stärkung des Immunsystems beispielsweise vor Erkältungsphasen seien die Behandlungen ein geeignetes Mittel. Govers: „Gerade ein gesunder Körper lässt sich im Hinblick auf Selbstheilungskräfte und Immunsystem gut mobilisieren.“
Zur hohen Kunst der Osteopathie zähle vor allem die Palpalationsfähigkeit der Hände, also das Ertasten, aber auch die Fähigkeit, die psycho-emotionale Ebene des Patienten zu erfahren. Govers: „Aus meinen Erfahrungen wirkt sich beispielsweise die Wucht eines körperlichen Traumas meistens auch emotional aus, was in Kombination mit dem Angsterlebnis auch im Gewebe abgespeichert wird.“ In diesem Falle arbeite die Osteopathie zwar rein mechanisch, kann sich aber langfristig auf die Psyche sehr positiv auswirken. „Die Kraft des Erlebten lässt sich als verdichtetes Gewebe oder auch Spannung ertasten. Wird über die Behandlung das Gewebe frei gesetzt, so wird normalerweise auch die dazu gehörige Emotion gelöst.“
Hans Govers ist mit sich und seiner Aufgabe im Leben rundum zufrieden. Menschen zu helfen und Gutes zu tun, ist für den gebürtigen Holländer auch eine Frage des Glaubens. „Darüber hinaus ist der Glaube für mich ein wichtiger Faktor, um mich selbst wieder in einen guten Zustand zu bringen.“ Im eigenen Rückzug findet der Grainauer die Kraft, die er für seine Arbeit mit den Menschen braucht. Dass es im Leben Krankheiten und Schicksalsschläge gibt, sieht der Holländer als Prüfungen im Leben mit der Chance, sich daraus wieder neu zu entwickeln. Wichtig sei es, immer wieder in ein neues Gleichgewicht zu finden. „Das ist letztlich die Möglichkeit, sich zu entwickeln oder gar zu wachsen.“
An eine Beendigung seiner Tätigkeit möchte der 62-Jährige daher noch lange nicht denken. „Ich liebe meinen Beruf und so lange es mir Spaß macht und ich mobil bin, werde ich weitermachen. Meine Arbeit ist für mich nicht nur ein Beruf, sondern meine Berufung. Zufriedene ältere Menschen in guter mentaler und körperlicher Verfassung im Alltag zu erleben, das ist für mich immer wieder eine riesengroße Freude und bestärkt mich selbst darin, mit Glück und Gelassenheit und viel Freude bei der Arbeit dem Alter entgegenzusehen.“
Interview Finanzielle VORSORGE
Besonders junge Menschen vernachlässigen Vorsorge für das Alter und ignorieren den Blick in die Zukunft. Was sind Ihre Erfahrungen?
Aus eigenem Interesse hatte ich schon früh begonnen, mich um finanzielle Rücklagen zu kümmern. Damals waren das vor allem Lebensversicherungen, die liefen über 30 Jahre und länger. Ich bin froh, dass ich meine beruflichen Anfänge dafür genutzt hatte, über Ersparnisse, Zinsen und Zinseszinsen für meinen heutigen Lebensstandard mit zu sorgen. Daher freue ich mich für alle jungen Menschen, die früh beginnen, sich mit dem Thema ‚Finanzen‘ zu beschäftigen und habe dies auch an meine Töchter so weitergegeben.
Wie hat sich Vorsorge innerhalb der Familie in den letzten Jahren verändert? Hat die Familie als zentrales Element finanzieller Vorsorge ausgedient?
Auch innerhalb der Familie gibt es viele Punkte der Vorsorge. Für mich stellt vor allem der tiefe Verbund innerhalb der Familie einen wichtigen wirtschaftlichen Aspekt dar. Ein gutes Verhältnis in großen wie kleinen Familien ist die entscheidende Basis für die gemeinsame Zukunft.
Was verstehen Sie als Unternehmer im medizinischen Bereich unter finanzieller Vorsorge?
Für mich ist vor allem die Eigenverantwortung für die eigene Gesundheit das A und O. Wenn ich rechtzeitig auf mich, meine Ernährung, meine Bewegung und mein Wohlbefinden achte, betreibe ich schon damit die wichtigsten Punkte der eigenen Vorsorge.
Betrachten Sie sich als Familienbetrieb?
Wir sind ein kleiner Betrieb, in dem ich zusammen mit Kolleg*innen eine wunderbare, kleine Struktur geschaffen habe, in der wir alle in einer flachen Hierarchie sehr harmonisch zusammenarbeiten.
Durststrecken gehören auch dazu. Wie meistern mutige Unternehmer schwierige Zeiten wie etwa die Corona-Krise vor fünf Jahren?
Zu meinem Verständnis von Vorsorge zählt auch, diese auf mehrere Säulen zu verteilen. Damit meine ich, neben der gesetzlichen Altersvorsorge verschiedene Maßnahmen parallel aufzubauen, so dass sich beispielsweise Kursverluste an den Aktienbörsen abfangen lassen. In Krisenzeiten helfen Rücklagen, aber auch die Flexibilität im Kopf, etwa in schwierigen Zeiten die eigene berufliche oder geschäftliche Existenz hinterfragen zu können und sich damit von äußeren Einflüssen ein Stück weit befreien zu können. Persönlich war ich seinerzeit immer in der Arbeit präsent und telefonisch erreichbar. Durch diese Mini-Struktur und die Ansprechbarkeit auf dem kleinstmöglichen Level hatte ich immer Zugang zu meinen Patienten.
Wissen und Werte sind endlich und können auch verloren gehen. Wie werden Sie Ihren Erfahrungsschatz an die nachfolgenden Generationen weitergeben?
Es gab und gibt immer wieder jüngere Menschen, die ich während der Ausbildung zur Ergo- oder auch Physiotherapie und der Prüfungsvorbereitungen persönlich begleite und begleitet habe. Das Besondere war sicher die individuelle Ebene anstelle von Standardschulungen, Kursen und Seminaren.
Wie stellen Sie sich das „ganz ruhige“ Leben im Alter vor?
In diesem Winter hatte ich zum ersten Mal in meiner beruflichen Laufbahn drei Wochen Urlaub. Davon abgesehen stelle ich mir ein ruhiges Leben gar nicht vor. Ich wünsche mir, dass mein Alltag weiterhin eine gewisse Struktur mit Sinn haben wird. Aus dem Grund habe ich erst vor einigen Wochen eine neue therapeutische Ausbildung begonnen, bei der noch intensiver als bisher die psychischen Komponenten festgefahrener Strukturen und Barrieren betrachtet werden. Neben meinem gesellschaftlichen Engagement und meinen Hobbies motiviert mich das neue Durchstarten zu mehr Balance und ermöglicht mir zudem, hoffentlich noch sehr lange für meine Patienten tätig zu sein.
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